Nachhaltigkeit
Villa Futurum: Interview mit Markus Wesselbaum über nachhaltige Gebäudetechnik
Seit die Sanierung der Villa Futurum im Sommer 2023 begonnen hat, verändert sich das Grundstück an der B1 stetig. Doch nicht alle Innovationen, aus denen die Ingenieurgesellschaft Drücke bei dem Umbau schöpft, werden von außen sichtbar. Es handelt sich um hochtechnisierte Systeme zur Erzeugung und zum Erhalt von Energie. Im Gespräch mit Geschäftsführer Markus Wesselbaum erhalten wir spannende Einblicke in die technischen und nachhaltigen Möglichkeiten der dort installierten Gebäudetechnik.
Klären Sie uns zu Beginn einmal auf: Wie ist eigentlich die Idee entstanden, aus einem alten Gebäude etwas zukunftsweisendes zu gestalten?
Wir wollen einfach zeigen, dass moderne Techniken zur Steigerung der Nachhaltigkeit auch für Altbau genutzt werden können. Wir müssen das Dach dämmen, keine Frage. Doch die restliche Bausubstanz eignet sich bestens für unser nachhaltiges Projekt.
Wir haben lange darüber nachgedacht: Sollen wir zusätzlich dämmen? Sollen wir das Gebäude inklusive der Fassade komplett anders gestalten? Wir sagen ganz klar: Nein! Die alte Bausubstanz ist eine von denjenigen, die schon früher – das Gebäude wurde 1934 gebaut – physikalisch hervorragende Eigenschaften aufwiesen. Bimsstein, eine Luftschicht und Vollklinker.
Das klingt spannend, aber auch nach viel Arbeit & einigen technischen & planerischen Herausforderungen, richtig?
Ja, wirklich! Die Energie für den späteren Betrieb des Gebäudes hinsichtlich der Leistung ist eine große Herausforderung. Wir arbeiten ja mit Heizkühldecken und die Leistung zur Klimaregulation in die Räume hineinzubekommen, ist technisch und optisch derzeit recht anspruchsvoll – aber machbar. Eine weitere Herausforderung wird die Verbindung zwischen der Wasserstofftechnologie und der Wärme- und Kälteversorgung des Gebäudes sein.
Das heißt, nicht nur die Energiegewinnung, sondern auch die Verbindung der Energiequellen & die Einbindung in das Gebäude erfordern ein hohes technisches Niveau?
Das stimmt. Wir arbeiten zum Beispiel mit einer Lichtsteuerung. Die ist mit einer Wetterstation gekoppelt und kann – entsprechend der Witterung – die Lichtintensität über die angebundenen Jalousien anpassen. Mit der Wetterstation können wir aber auch die Heizung steuern und auf Unwetter reagieren. Die Software stellt uns außerdem Trendkurven zur Einschätzung der mittelfristigen Witterung zur Verfügung.
Da wird auch noch einiges auf uns zukommen, gerade im Bereich der Steuerungstechnik. Wir müssen verschiedenste Regelsysteme miteinander verbinden. Zum Beispiel das der Wasserstofftechnik mit Speicher und Produktion und die Photovoltaik-Anlage. Dabei möchten wir einen zentralen Kommunikationspunkt haben, wo die Daten eingepflegt oder ausgelesen werden können.
Stichwort Wasserstoff: Werden Sie diesen als Hauptenergieträger für die Villa Futurum nutzen?
Mehr oder weniger. Es ist eine Kombination aus vielen regenerativen Energien. Dabei sind Sonnen- oder Solarenergie, Erdwärme und der per Elektrolyse bereitgestellte Wasserstoff. Nur Windkraft nutzen wir nicht, da die Effizienz in unserem Maßstab nicht zufriedenstellend ist. Wenn sich hier in Zukunft technisch etwas tut, würden wir auch die Windenergie gerne nutzen.
Auch könnte dem Wasserstoff in Zukunft eine weitere Aufgabe zukommen. Derzeit dient er uns als Energiespeicher zur Erzeugung von Strom. Doch ist es denkbar, bald direkt einen Heizkessel mit dem Wasserstoff zu betreiben. Es gibt auch schon die nötigen Platzreserven, um dahingehend nachzurüsten.
Welche erneuerbaren Energien & innovativen Technologien werden in der Villa Futurum zum Einsatz kommen?
Also, vorab: Unser Ziel ist ja ein möglichst hoher Autarkiegrad. Diesen erreichen wir, indem wir nicht nur möglichst viel unserer benötigten Energie selbst auf umweltfreundlichem Wege erzeugen. Gleichzeitig steigt der Autarkiegrad, wenn wir von dieser selbstproduzierten Energie so viel wie möglich einsparen. Hieraus ergeben sich also zwei notwendige Bedürfnisse, die wir technisch bedienen werden: Energie zu erzeugen und Energie einzusparen.
Bei der Erzeugung der Energie ist für uns Wasserstoff ganz vorne mit dabei. Er dient uns als Energiespeicher. Ergänzt wird mit einer Photovoltaikanlage, einer Erdwärmepumpe mit Propan als Kältemittel. Energie sparen wir an vielen Stellen ein. Zum Beispiel verzichten wir auf eine aktive Kühlung.
Ergeben sich aus einem so aufwendig modernisierten Gebäude auch positive Auswirkungen für Ihre Kunden?
Unbedingt! Wir möchten ein Vorbild sein und zeigen, wie man ein solches Gebäude vernünftig betreibt. Was kann ich damit realisieren? Wie wirtschaftlich bin ich damit letztendlich? Das sind Fragen, die zu dieser Anlagentechniken – und insbesondere zur Versorgung mit Wasserstoff – noch nicht so leicht zu beantworten sind. Hier wollen wir als Beispiel vorangehen. Nicht zuletzt auch bei der Frage danach, ob man den benötigten Wasserstoff wirklich in Gänze selbst via Elektrolyseur erzeugen kann, wollen wir Pionierarbeit leisten. Irgendwann dürfen wir uns vielleicht damit auseinandersetzen, dass wir unsere Wasserstofffahrzeuge mit einer hauseigenen Tankstelle versorgen.
Auf dem Weg dahin, dass nachhaltige Energieversorgung Standardtechnik wird, wollen wir von Anfang an dabei sein – um mitreden, mitgestalten und Kunden beraten zu können. Das ist tatsächlich die Mission. Wir sind vom Wasserstoff komplett überzeugt.
Welche Bedeutung hat der Begriff Innovation in Bezug auf Nachhaltigkeit, Energieeffizienz & im Kontext dieses Projekts?
Abseits aller technologischen Aspekte erstreckt sich der Innovationsansatz der Ingenieurgesellschaft Drücke auch auf das Verhalten aller Mitarbeitenden – inklusive mir. Jeder einzelne von uns muss sich fragen, was er zur Verbesserung der Energieeffizienz beitragen kann. Manchmal komme ich in die Firma und sehe, dass die Fenster im Großraumbüro auf Kipp stehen. Ich appelliere dann immer und predige das Stoßlüften. Einfach die Fenster einmal aufreißen und nach fünf Minuten wieder schließen. Ganz einfach.
Dass es bei Nachhaltigkeit nicht ausschließlich um Technologien geht, müssen die Mitarbeiter verstehen. Auch bezüglich der Mobilität verfolgen wir einen innovativen Ansatz. Ich bin jahrelang ein Elektrofahrzeug gefahren. Mittlerweile nutze ich ja das Wasserstofffahrzeug. Meine Rolle dabei ist unter anderem, zu demonstrieren, dass Elektro- und Wasserstoff-Mobilität funktionieren. Mittlerweile nutzen mehr und mehr Mitarbeitende ein Elektrofahrzeug.
Lassen Sie mich noch ein letztes Beispiel für unseren Innovationsansatz geben, um den Bogen wieder zur Villa Futurum zu schlagen:
Wir möchten unsere Mitarbeitenden bei den Umsetzungen in und an der Villa Futurum beteiligen. Darum binden wir sie sehr stark bei der Entscheidungsfindung mit ein. Das kann die Raumaufteilung oder auch die Gestaltung der Loungebereiche sein. Auch die Ausstattung kann mitbestimmt werden. Wichtig ist, dass dabei das Nachhaltigkeitskonzept gewahrt wird. Ich denke, so machen wir das ganze etwas spürbarer.
Wir sprechen ständig von einem innovativen Konzept – doch ist das wirklich lebensnah?
Es gibt genug Beispiele dafür, wo Privatleute oder die öffentliche Hand irgendwo ein Gebäude mit hochkomplexer Regeltechnik hingesetzt hat. Ein Glashaus, das keiner beherrschen kann, wenn man so will. Die verwendeten Systeme sind in der Handhabung so kompliziert, dass die Verantwortlichen damit nicht klarkommen.
Genau das vermeiden wir bewusst beim Ausbau der Villa Futurum. Wir brauchen Energiequellen mit Regelsystemen, die einen echten Nutzen haben und im Alltag funktionieren. Der gesamte zeitliche und finanzielle Aufwand lohnt sich nicht, wenn wir nachher ein High-End-System haben, das niemand versteht.
Wer wird nach Fertigstellung in die Villa Futurum einziehen?
Die Mitarbeitenden der Ingenieurgesellschaft Drücke werden in den Altbau ziehen. Unser zweites Unternehmen – die MaWes Facility Management GmbH – bezieht den Anbau. Ja, wir freuen uns schon alle darauf, wenn alles funktioniert und in Betrieb ist. Dann können wir auch mal aktiv Dinge demonstrieren und müssen nicht mehr zu Bildern und komplizierten Erklärungen greifen.